Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
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Familie Niehues produziert mit ihrer Fischzuchtanlage etwa 8 t Wolfsbarsch pro Jahr.
Vor einem Jahr sind sie mit dem Vertrieb des regionalen Meeresfisches gestartet.
Bislang läuft die Vermarktung problemlos – auch dank der im Januar dieses Jahres gegründeten Genossenschaft.
Ein Schwarm silbrig-schuppiger Fische zieht an stählernen Wänden vorbei. Sie schwimmen in den Becken der Meeresfischzuchtanlage von Familie Niehues aus Albersloh im Münsterland. Mitten auf ihrem Hof steht die Anlage, versteckt in fünf holzverkleideten Containern.
Das kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder – über dieses innovative Konzept haben wir Anfang letzten Jahres berichtet. Damals waren die ersten Fische gerade eingezogen. Bis zum Erreichen des Schlachtgewichts brauchten die Wolfsbarsche noch etwa fünf Monate.
Schweinemast und Fischzucht
Mittlerweile kann Louise Niehues jede Woche Fische entnehmen. Zur Erinnerung: Die Fischzucht ist ihr Steckenpferd auf dem landwirtschaftlichen Betrieb, auf dem ihr Mann Carl Niehues Schweinemast, Ackerbau und eine 75-kW-Biogasanlage betreibt. Im Juni 2023 zog die Fischzuchtanlage auf dem Hof ein. Die Technik dazu lieferte SeaWater Cubes, ein Start-up aus dem Saarland. Der Hof Niehues war damit der erste landwirtschaftliche Betrieb in Deutschland mit einer solchen Anlage – und damit auch der erste Betrieb, der sich mit der Vermarktung eines besonderen Produkts auseinandersetzen musste: Wolfsbarsch aus dem Münsterland. Ein Fisch, der sonst viele 100 km weiter in Küstengewässern zu Hause ist.
Probleme bei der Vermarktung
„Ich habe die Arbeit unterschätzt, die durch die Vermarktung entsteht“, gesteht Niehues ein. Vor zwei Jahren hatte sie noch angenommen, dass sie das neben der Versorgung der Fische, dem Schlachten – und nicht zu vergessen der Betreuung ihrer drei Kinder – erledigen könnte. Deshalb war es ein Glück, dass Wolf eines Tages auf dem Hof stand, um sich das Konzept der Anlage anzuschauen. „Ich habe Familie Niehues gesagt, dass die Produktion schön und gut ist, aber die Vermarktung ein großes Problem darstellt“, sagt er. Damals arbeitete er im Fischgroßhandel. „Warum sollten die Kunden 37,90 €/kg zahlen, wenn sie den Fisch im Supermarkt für die Hälfte bekämen?“
Genossenschaft für Fischvermarktung
Nach vielen Überlegungen und Gesprächen gründeten Familie Niehues, Wolf und SeaWater Cubes die Geflossenschaft. Mittlerweile ist auch die einzig andere Meeresfischzuchtanlage dieser Art, die in Aachen steht, Mitglied. „Unser Ziel ist es, die Vermarktung zu vereinfachen und gemeinsam eine Marke für hochwertigen, regionalen Fisch aufzubauen“, so der Fischwirt. „Wenn wir mehr Mitglieder haben, könnten wir zum Beispiel auch über die Zucht eigener Setzlinge nachdenken.“ Seit Januar 2025 ist die Genossenschaft eingetragen und Wolf Vollzeit für den Vertrieb der jährlich etwa 8 t Fisch auf dem Hof zuständig.
Hohe Nachfrage aus der Region
„Derzeit können wir uns über mangelnde Nachfrage nicht beklagen“, sagt der 33-Jährige. „Im Gegenteil: Wir haben das Luxusproblem, eher zu wenig Fisch zu haben.“ Das liegt nach eigener Einschätzung auch an dem großen Medieninteresse.
Jede Woche werden in Albersloh etwa 300 Wolfsbarsche geschlachtet und verkauft. 80 % davon gehen an Restaurants im Umkreis von 30 km. Die restlichen 20 % werden an Kunden direkt vom Hof abgesetzt. „Bis montags müssen die Abnehmer ihre Wolfsbarsche online oder telefonisch vorbestellen. Am Mittwoch schlachte ich die Tiere dann je nach Bedarf“, sagt Niehues. Unterstützt wird sie dabei von einer 520-€-Kraft und manchmal auch vom Azubi des Hofes. Ihre Kenntnisse und ihren Sachkundenachweis erhielt die Fischhalterin nach einem sechswöchigen Theorie- sowie einem mehrtägigen Praxisintensivkurs. Am Donnerstag – also einen Tag nach der Schlachtung – liefert Niehues die Fische ab einer Menge von 5 kg an die Kunden.
Keine Angst vor Konkurrenz
Eine Anfrage des örtlichen Lebensmitteleinzelhandels lehnten die Betreiber der Anlage bislang ab. „Für uns beweist die große Nachfrage, wie hoch der Bedarf an regionalem Salzwasserfisch ist“, meint Wolf. Laut den Geflossenschafts-Mitgliedern könnte es noch 100 Anlagen dieser Art in Deutschland geben, ohne dass Niehues’ Angst vor Konkurrenz haben müssten. „Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland liegt bei rund 16 %“, sagt die Fischhalterin. Deshalb habe sie ihre anfänglichen Zweifel gegenüber dem Bilden einer Genossenschaft abgelegt.
Ein Fenster für die Fische
Jede Woche kommen Interessierte auf den Hof in Albersloh, um sich die Anlage anzuschauen. Für Radfahrer, Spaziergänger und Co. haben Niehues’ ein Fenster in das Becken und den Container eingelassen. Auch ein Informationsschild, das den Kreislauf und die nachhaltige Arbeit in der Anlage erklärt, soll noch folgen. So soll zum Beispiel transparent werden, wie gering der Wasserverbrauch ist. „Außerdem können wir durch die Kombination mit unserer Biogasanlage das Abwasser der Anlage nutzen, um Strom für diese herstellen“, erklärt die 40-Jährige. „Der restliche Strombedarf wird durch unsere PV-Anlage samt Speicher abgedeckt.“ Die Investitionssumme für den neuen Betriebszweig belief sich auf etwa 500.000 €. Der Europäische Meeres- und Fischereifonds förderte die Mastanlage zu 50 % und die Verarbeitungsanlage zu 40 %. Insgesamt zahlte die Familie so 250.000 €.
Nachahmer gesucht!
Um das Konzept einer breiteren Masse ans Herz zu legen, veranstaltete die Geflossenschaft im November vergangenen Jahres ein Hoffest. „Wir wurden überrannt“, erinnert sich Wolf. „Nach dem ersten Tag hatten wir den Fisch, der für beide Tage eingeplant war, verkauft.“ Auch im April dieses Jahres hat wieder ein Hoffest stattgefunden. „Dieses Mal hatten wir aber weitaus mehr Fisch eingeplant“, sagt Niehues lachend. Sie hofft, dass durch die Feste noch mehr Menschen auf den milden Geschmack des Wolfsbarsches kommen. Und wenn es genug „Nachahmer“ gibt, könnten die silbrig-beschuppten Tiere bald auch über die Grenzen des Münsterlands hinaus auf den Tellern vieler Fischliebhaber landen.