Noch bis Donnerstag sind die meisten Einfuhren ukrainischer Waren in die EU zollfrei. Die ukrainische Agrarwirtschaft stellt sich jetzt aber auf höhere Einfuhrzölle in die EU ein.
„Vor der russischen Invasion hatten wir [die Ukraine] bereits ein Handelsabkommen mit der EU. Darauf fallen wir nun zurück“, sagte der ukrainische Ministerpräsident Deny Schmyhal am Rande eines Besuches in Finnland vergangene Woche, wie verschiedene ukrainische Medien berichten.
Was gilt aktuell für ukrainische Waren?
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat die EU die Ukraine von fast allen Einfuhrzöllen befreit. Das hatte die EU im Rahmen der sogenannten autonomen Handelsmaßnahmen (ATM) beschlossen.
Für bestimmte sensible Agrarprodukte gibt es jedoch eine "Notbremse" in Form von Zollkontingenten. Diese betrifft insbesondere Geflügel, Eier, Zucker, Hafer, Mais, Grobgrieß und Honig.
Sie dürfen nur bis zu einer bestimmten, festgelegten Menge zollfrei in die EU eingeführt werden. Überschreiten die ukrainischen Einfuhren diese Mengen, fallen Zölle auf die Waren an.
Was gilt ab Donnerstag?
Am Donnerstag den 5. Juni laufen die ATM-Regeln aus. Ab dann greift ein Freihandelsabkommen, das die EU und die Ukraine 2014 vereinbart hatten. Von den meisten Agrargütern darf die Ukraine dann deutlich weniger zollfrei einführen als bislang.
Welche Zölle fallen auf ukrainisches Geflügel an?
Die „Übergangsregelung“ sieht vor, dass ukrainische Exporteure 2025 rund 7/12 der Jahresquoten aus dem Freihandelsabkommen von 2014 zollfrei einführen dürfen.
Zwei Beispiele: Bis Jahresende dürften 20.070 t Zucker zollfrei aus der Ukraine in die EU kommen, zuletzt war es mehr als zehn Mal so viel. Darüber hinaus fallen Zölle von bis zu 419 €/t Zucker an.
Bei Geflügelfleisch sinkt die zollfreie Exportquote von 137.000 t auf 90.000 t.
Was wollen die Ukrainer?
Das Ziel der ukrainischen Regierung ist es, eine andere Nachfolge für die ATM zu finden. Bislang konnten sich die EU-Kommission und die ukrainische Regierung jedoch nicht auf neue Handelsregeln einigen.
Seit dem 2. Juni verhandeln Vertreter der EU-Kommission und der ukrainischen Regierung darüber, wie es im EU-Ukraine-Handel weitergeht. Das bestätigten Brüsseler Insider gegenüber top agrar.
„Die Übergangslösung kostet ukrainische Agrarexporteure bis Jahresende bis zu 1,2 Milliarden Euro“, klagt Nazar Bobitski gegenüber top agrar. Bobitski vertritt die ukrainische Agrarwirtschaft gegenüber den EU-Institutionen.
Auf was sich die Ukraine und die EU langfristig einigen werden, vermag Bobitski nicht zu sagen: „Aus den Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und der ukrainischen Regierung dringt wenig nach außen.“
Was befürchten europäische Landwirte?
Die EU-Bauernverbände warnten in der Vergangenheit immer wieder vor zu hohen Agrarimporten aus der Ukraine. Ihre Dachorganisation Copa-Cogeca forderte Mitte Mai: „Die europäischen Landwirte sollten keinen unverhältnismäßig großen Teil der EU-Unterstützung für die Ukraine schultern müssen.“
Copa-Cogeca analysierte: „Die Liberalisierung des Handels mit der Ukraine hatte erhebliche negative Auswirkungen auf entscheidende Agrar- und Produktionssektoren der EU. Der Zugang der Ukraine zum EU-Markt sollte die ukrainische Wirtschaft unterstützen. In Wirklichkeit sind viele europäische Erzeuger unter starken Druck geraten.“