Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Kitzrettung Trockenheit auf dem Feld Regierungswechsel

topplus Reststoffe pro und kontra

Faktencheck: Mehr Wirtschaftsdünger im Fermenter, weniger Humus?

Die Vergärung von Reststoffen wie Mist oder Stroh gilt als wichtige Zukunftsoption für Biogasanlagen. Kritiker befürchten Nachteile für den Ackerbau. Wir klären auf, ob das stimmt.

Lesezeit: 6 Minuten

Bioenergie soll nach Ansicht der neuen Bundesregierung bei Wärme, Verkehr und steuerbarer Stromerzeugung eine wichtige Rolle spielen. „Wir wollen vor allem Reststoffe besser nutzen“, heißt es dazu im Schwarz-roten Koalitionsvertrag.

Reststoffe wie Getreide- oder Maisstroh sowie Stallmist sind schon länger ein wichtiger Teil im Substratmix von Biogasanlagen: der Maisdeckel im Erneuerbare-Energien-Gesetz, günstige Substratkosten und – bei passender Anlagentechnik – relativ hohe Gasausbeuten sind die Treiber. Dazu kommt die Erneuerbare-Energien-Direktive der EU (RED II), die Biomethan aus Wirtschaftsdünger eine hohe Treibhausgasminderung zuschreibt. Das macht Biomethan als Kraftstoff sehr hochwertig, wenn es aus Mist oder Gülle produziert wird.

Viel Potenzial

Gerade Stroh, Gülle und Mist weisen in Bayern ein beträchtliches technisches Potenzial auf: laut einer aktuellen Studie der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) beläuft es sich auf etwa 1,4 Mrd. m3 Methan (CH4), oder 14,2 TWh. Laut der Studie werden davon bisher jedoch nur etwa 14 % energetisch in Biogasanlagen genutzt. Dieser bisher ungenutzte Anteil des technischen Potenzials entspricht der Biogasmenge, die für den Betrieb von etwa 1.100 weiteren 500-kWel. Biogasanlagen benötigt wird, ohne zusätzlichen Bedarf für den Anbau von Nawaro zu verursachen.

Die in Diskussionen häufig erwähnten Bioabfälle hingegen werden bereits energetisch genutzt. Auch könnte sich ihre Menge weiter reduzieren, wenn zukünftig wie angestrebt weniger Lebensmittel verschwendet werden. Technisch verfügbare Potenziale von Landschaftspflegematerial, Straßenbegleitgrün und ähnlichem sind in begrenztem Maß vorhanden, allerdings weit von einer wirtschaftlichen Nutzung entfernt. Das ist bei Stroh, Mist und anderen Reststoffen aus der Landwirtschaft anders.

Sorge um Humusverlust

Doch so wünschenswert die Reststoffnutzung auch aus gesellschaftlicher Sicht wäre: Es gibt auch kritische Stimmen. Denn wenn Stroh erst im Fermenter abgebaut und anschließend als Gärprodukt wieder ausgebracht wird, sinkt der Humusgehalt der Böden, so die Befürchtung. „Bei Stroh, Gülle und Mist für die Erzeugung von Biomethan und von Biokraftstoffen handelt es sich keinesfalls um Reststoffe, die ohne Einschränkungen genutzt werden sollten, sondern vielmehr um wertvolle Nebenprodukte aus der Landwirtschaft, die essenziell für die Fruchtbarkeit von Böden sind“, heißt es in einem Standpunkt des Naturschutzbundes (NABU).

Solange keine Kenntnisse über die langfristigen Auswirkungen der Substitution landwirtschaftlicher Nebenprodukte durch Gärprodukte vorliegen, sollten Stroh, Gülle und Mist nach Ansicht des NABU nur mit besonderer Vorsicht für die Erzeugung von Biogas eingesetzt werden. Forschungsbedarf bestehe auch bei der Analyse möglicher ökologischer Auswirkungen des Einsatzes von Gärprodukten, beispielsweise auf die Struktur und die biologische Aktivität der Böden.

Doch ist der Vorwurf berechtigt? Dazu haben wir mehrere Experten aus der Wissenschaft befragt.

Humusaufbau nachgewiesen 

Vielfältige Studien belegen, dass sich die Vergärung von Stroh, Mist und Gülle bei Rückführung der Gärprodukte nicht negativ auf den Humuserhalt oder -aufbau auswirkt. „Bei der Fermentation werden nur die leicht abbaubaren C-Verbindungen zu Biogas umgewandelt, komplexere C-Verbindungen bleiben erhalten und können den Humuserhalt und -aufbau unterstützen“, sagt Dr. Maendy Fritz, Energiepflanzenexpertin beim Technologie- und Förderzentrum (TFZ) aus dem Bayerischen Straubing.

LfL-Humusexperte Dr. Martin Wiesmeier erläutert, dass die lebende Wurzelmasse im Boden den größten Beitrag zum Humuserhalt bzw. -aufbau beisteuert. Weiterhin tragen die Integration von Zwischenfrüchten, vielgliedrige Fruchtfolgen, Gehölze/Heckenstreifen, sowie generell die Förderung der Bodenmikroorganismen durch einen möglichst ganzjährigen und vielfältigen Bewuchs bei. Das zeigen verschiedene Untersuchungen u.a. des Thünen-Instituts (siehe Grafik). Wird mit entsprechenden Maßnahmen die Humusreproduktion gesichert, können Erntenebenprodukte wie Stroh energetisch genutzt und die Gärprodukte rückgeführt werden, ohne die Bodenfruchtbarkeit zu gefährden. „Dabei sollte aber immer eine betriebsspezifische Humusbilanz die Entscheidungsgrundlage zur Nutzung von Erntenebenprodukten bilden“, sagt Fritz.

 Tipps für die Ausbringung

In dem NABU-Standpunkt warnen die Autoren, dass eine unkontrollierte Ausbringung der Gärprodukte zu einer Belastung von Boden und Wasser führen könne. „Das gilt ausnahmslos für alle organischen Düngemittel wie Gülle, Mist, Festmist ebenso wie für Gärprodukte und auch andere nährstoffreiche Biomassen“, erklärt Fritz dazu. Eine mögliche Boden- oder Gewässerbelastung werde nicht vom organischen Dünger verursacht, sondern hänge vom Management der Ausbringung sowie dem Witterungsverlauf in der Anbausaison ab. „Auch die Düngeverordnung regelt die Ausbringung umfassend, um die befürchteten negativen Umweltwirkungen auszuschließen“, ergänzt sie.

Werden Gülle und Mist dagegen ohne vorherige Vergärung ausgebracht, enthalten sie leicht flüchtige Fettsäuren und Kohlenstoffanteile. Diese werden im Boden abgebaut und tragen zu Emissionen bei. „Bei der Vergärung dieser Substrate werden diese Bestandteile effektiv in Biogas umgewandelt, was die Emissionen verringert“, sagt die Wissenschaftlerin.

Ein positiver Nebeneffekt: Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass durch die anaerobe Vergärung von Gülle und Festmist die Keimzahl des Gärprodukts gegenüber dem Ausgangsmaterial signifikant gesenkt werden kann. Dies gilt insbesondere für thermophile Prozesse. Insofern kommt es gerade durch die anaerobe Vergärung zu einer Reduktion der Bodenbelastung mit Keimen aus Wirtschaftsdüngern und Beikrautsamen von vielen Arten werden ebenfalls abgetötet.

Bereits viele Erkenntnisse

Der NABU empfiehlt: „Solange keine Kenntnisse über die langfristigen Auswirkungen der Substitution landwirtschaftlicher Nebenprodukte durch Gärprodukte vorliegen, sollten Stroh, Gülle und Mist nur mit besonderer Vorsicht für die Erzeugung von Biogas eingesetzt werden.“

Das sehen die Wissenschaftler u.a. der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und des TFZ anders. Zusammen haben sie in einem zehnjährigen Forschungsprojekt von 2009 bis 2018 selbst Daten dazu erhoben. An vier bayerischen Standorten wurden die langfristigen Auswirkungen von rein mineralischer Düngung mit organischer Düngung mittels Rindergülle oder Gärprodukten auf den Boden und das Bodenleben verglichen. „Zugleich wurden auch die Folgen von Strohverbleib versus Strohabfuhr betrachtet“, sagt Fritz.

Im Versuch haben die Wissenschaftler bewusst eine nicht nachhaltige Fruchtfolge nur aus Silomais und Winterweizen angebaut, um die erwartbaren positiven Einflüsse von Zwischenfrüchten etc. auszuschließen. Am TFZ wird ein Versuchsstandort seitdem weitergeführt, allerdings mittlerweile mit Zwischenfrucht und reduziertem Pflugeinsatz, damit noch weitaus längerfristige Daten zum Vergleich verfügbar sein werden.

Wichtige Ergebnisse

Wichtige Ergebnisse des Langzeitversuchs:

  • Im Vergleich zur mineralischen Düngung mit Strohabfuhr wurde der Humusvorrat durch organische Düngung mit Gülle oder Gärprodukt über die Versuchslaufzeit um ca. 1 t organischen Kohlenstoff im Boden je Hektar angehoben.

  • Bezogen auf die ausgebrachte Menge tragen Gärprodukte stärker zur Humusversorgung bei als Gülle.

  • Die Abfuhr von Stroh ohne organische Düngung führt – erwartbar – zur Verarmung der Bodenmikrobiologie.

  • Springschwänze, Milben und die Bodenmesofauna werden durch organische Düngung genauso gefördert wie Regenwürmer. Dabei wirkt Gülle durch Menge und Energiegehalt der leicht verdaulichen Bestandteile stärker fördernd als Gärprodukte.

  • Die Aggregatstabilität des Bodens erhöht sich. Auch ist der Schutz gegenüber Verschlämmung durch organische Düngung leicht verbessert.

„Der Aussage, es würden nicht ausreichend Daten zur Verwendung von Gärprodukten als Dünger vorliegen, ist klar zu widersprechen“, resümiert Fritz.

Was noch für die Vergärung und Gärproduktnutzung spricht

Es gibt auch aus Klimaschutzgründen Vorteile, die mit der Vergärung von Wirtschaftsdünger und Ernteresten verbunden sind:

  • Bei der Lagerung von Mähgut in Mieten besteht die Gefahr der Ausgasung durch den Abbau von Inhaltsstoffe zu Methan, Lachgas und CO2.

  • Im Ökolandbau ist gerade das Mulchen von Kleegras ein Problem, da bei dem Abbau auf der Fläche hohe Emissionen freigesetzt werden. Bei der Vergärung dieser Aufwüchse wird dies verhindert und die Nährstoffversorgung nachfolgender Kulturpflanzen kann durch Gärprodukte in Bezug auf Zeitpunkt und Menge gezielt erfolgen.

  • Die Vergärung von Wirtschaftsdüngern ist außerdem eine effektive Methode, um Methanemissionen insbesondere aus der Lagerung zu vermeiden.

Das Resümee von Dr. Maendy Fritz: „Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen seit Jahren: Die Nutzung von landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Stroh, Mist und Gülle zur Biogasproduktion, mit Rückführung der Gärprodukte, trägt zur Kreislaufschließung und nachhaltigen Biogasproduktion bei und hat keinen negativen Effekt auf den Humushaushalt.“

 

 

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Neue Energie. Klare Antworten.

Starten Sie jetzt informiert in Ihre Energie-Zukunft - schon ab 22,80 €!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.

OSZAR »