In regelmäßigen Abständen sprechen wir mit dem Biomethanexperten Henning Dicks vom Dienstleistungsunternehmen Agriportance aus Münster über aktuelle Entwicklungen im Biomethanmarkt. Im aktuellen Interview erläutert er, warum der Biodieselskandal immer noch Auswirkungen hat, warum eine EU-Verordnung zu Biokraftstoffen in der Schifffahrt neue Hoffnung verspricht und welche Chancen der Plan „RePowerEU“ bietet.
Wie steht es um die Biomethanvermarktung in Deutschland?
Dicks: Wir haben aktuell ein Überangebot im Bereich Kraftstoffbiomethan, der Absatz an den Tankstellen reicht für die gestiegene Menge an Bio-CNG oder Bio-LNG nicht aus. Auch wenn die Preise für die THG-Quote wieder leicht gestiegen sind, sorgt der Angebotsüberhang beim Gaspreis für einen Rückgang.
Wie wirkt sich das auf die Wirtschaftlichkeit der Produzenten aus?
Dicks: Die meisten kommen damit nach wie vor zurecht, indem sie weiter an der Kostenschraube drehen, vor allem bei den Substratkosten. Aber auch mit längeren Finanzierungszeiten lassen sich die laufenden Kosten senken. Es gibt kleinere Banken, die wieder Kredite mit zehn bis 15 Jahren Laufzeit anbieten. Das senkt die monatliche Finanzierungslast. Bei Neuprojekten sind die Akteure dagegen weiter zurückhaltend. Jetzt gibt es höchstens noch bei Reststoffanlagen oder speziellen Sammelprojekten bzw. Biogas-Clustern Interesse.
Was müsste passieren, damit sich das ändert?
Dicks: Die Politik müsste endlich anfangen, den Betrug um gefälschten Biodiesel und nicht existierende UER-Projekte aus China aufzuarbeiten. Die neue Bundesregierung hatte das ja in den Sondierungsgesprächen angekündigt. Es ist klar, dass wir eine Lösung nicht in sechs oder zwölf Monaten haben werden. Aber um das Vertrauen der Branche zurückzugewinnen, müsste die Bundesregierung wenigstens anfangen, den Skandal aufzuräumen und Klimaschutzzertifikate wieder aberkennen, die nachweislich auf nicht existierenden Projekten in China bzw. auf gefälschten Biodiesel beruhen.
Wir sehen wir Bereich Schiffsverkehr einen neuen Absatzweg.
Wie bewerten Sie generell die Zukunft von Biomethan im Kraftstoffmarkt? Es gibt Akteure, die sehen Biomethan eher in anderen Märkten wie z.B. den Wärmemarkt.
Dicks: Also auch wir glauben nicht, dass das der Kraftstoffmarkt der Hauptabsatzweg wird. Eher setze ich auf die Hoffnung, dass wir eine Grüngasquote im Erdgasnetz bekommen. Erste Äußerungen von der neuen Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche gehen in diese Richtung. Das würde bedeuten, dass wir schon ab 2027 beim Erdgasverbrauch einen verpflichtenden Anteil Treibhausgasminderung haben könnten, ähnlich, wie es im Biokraftstoffmarkt auch der Fall ist. Grüne Gase in diesem Fall könnten sein: Synthetisches Methan aus CO2 und Wasserstoff, reiner Wasserstoff und Biomethan. Wenn wir mit einer Quote von 2 % beginnen, wäre schon die heutige Biomethanproduktionsmenge in Deutschland nötig, um die Quote zu erfüllen. Damit müssten sich vor allem Stadtwerke bewegen, die heute ausschließlich Erdgas vermarkten. Daneben sehen wir im Bereich Schiffsverkehr einen neuen Absatzweg. Und auch der BHKW-Markt zeigt einen leichten Aufwärtstrend.
Warum im Schiffsverkehr, was ist der Grund?
Dicks: Die EU-Kommission hat im Rahmen des Fit-for-55-Pakets auch die FuelEU-Maritime-Verordnung erlassen. Sie gilt seit dem 1. Januar 2025 und besagt, dass alle größeren Schiffe in Europa, unabhängig vom Herkunftsland, eine bestimmte Treibhausminderungsquote erfüllen müssen. Diese beginnt bei 2 % im Jahr 2025 und soll 2050 dann 80 % ausmachen. Um die THG-Minderung zu erreichen, sind Biokraftstoffe nötig. Das könnte u.a. Bio-LNG, also verflüssigtes Biomethan sein. Biomethan, das als Bio-LNG verwendet wird, wird dann überwiegend im Exportland verflüssigt, also z.B. am Terminal in Rotterdam. Von dort wird es über Bunkerschiffe zu den großen Schiffen transportiert, die auf See tanken. Dieser Markt ist ein Massengeschäft, da geht es um wirklich große Mengen.
Wie bewerten Sie den BHKW-Markt?
Dicks: Wenn das Biomassepaket von Ende Januar die beihilferechtliche Genehmigung der EU bekommt und der auf 100 €/kW angestiegene Flexzuschlag gilt, werden größere Biomethan-BHKW im Strommarkt wieder interessant. Was den Markt anreizt, ist der relativ geringe Preis für Biomethan momentan. In diesen Markt steigen übrigens nicht nur Stadtwerke und andere Energieversorger ein, sondern auch Biogasanlagen, die sich zu einem Cluster zusammenschließen und z.B. an einer größeren Wärmesenke gemeinsam ein größeres BHKW betreiben. Gleichzeitig können sie mit Gas aus Wirtschaftsdüngern und Reststoffen den Kraftstoffmarkt bedienen, weil sich das Gas ja bilanziell teilen lässt. Mit diesem Modell hat man quasi das Beste aus beiden Welten.
Bringen die neuen Plänen zum Projekt „RePowerEU“ aus Brüssel Impulse?
Dicks: Das weiterhin existierende Bekenntnis, dass der europäische Biomethanmarkt bis 2030 um das Zehnfache wachsen soll, begrüßen wir sehr. Allerdings ist die nationale Umsetzung nicht einheitlich. Während z.B. die Niederlande oder Österreich sehr aktiv sind, gibt es kaum Impulse aus Deutschland oder aus Süd- und Osteuropa. Nur wenige Länder haben RePowerEU als Leitlinie genutzt. Wir sehen schon, dass mit der neuen Regierung mehr Offenheit für das Thema besteht. Was den Einsatz von Biomethan beflügeln könnte, ist die Tatsache, dass sich einige Bereiche in der Industrie nicht elektrifizieren lassen und Wasserstoff kurzfristig als Option nicht oder nur zu hohen Kosten zur Verfügung steht. Biomethan verspricht dagegen Kosteneffizienz und Verfügbarkeit. Der internationale Markt, der mit RePowerEU auch angestoßen werden soll, ist auf jeden Fall sehr interessant.
Wie sind da aktuell die Im- und Exportströme?
Dicks: Deutschland exportiert viel Biomethan in Richtung Skandinavien, Schweiz und Großbritannien. Dabei geht es vor allem um Biomethan aus Reststoffen. Biomethan aus Wirtschaftsdüngern wird dagegen stark nach Deutschland importiert, während Nawaro-Gas aus Energiepflanzen eher in Deutschland bleibt. Denn das Gas geht vor allem in die Verstromung und wird nach EEG vergütet.