Zum Thema forscht das Forschungszentrum für Agri-PV der Hochschule Anhalt am Standort Bernburg.
Interessieren sich Landwirte für Agri-Photovoltaik (Agri-PV), geht es darum, die Landwirtschaft zu erhalten und gleichzeitig ein zusätzliches Einkommen über die Stromerzeugung zu erwirtschaften. Dabei übersteigen die Stromeinkünfte meist deutlich die Deckungsbeiträge der gängigen Ackerbaukulturen. Zu bedenken ist jedoch, dass es die steuerlichen und genehmigungsrechtlichen Vorteile für Agri-PV nur dann gibt, wenn die Landwirtschaft weiterhin im Vordergrund steht.
Das legt die DIN SPEC 91434 fest, ein Datenblatt, das z. B. für Baugenehmigung und Vergütung nach EEG relevant ist. Hier sind unter anderem festgeschrieben:
Die bisherige Flächennutzung muss erhalten bleiben,
insgesamt sind 85 % der Fläche landwirtschaftlich zu bewirtschaften,
die PV-Module sind auf Gesamtfläche verteilt,
ein landwirtschaftliches Nutzungskonzept liegt vor und
es müssen 66 % der sonst üblichen Erträge erwirtschaftet werden.
Diese Anforderungen prüft der Netzbetreiber, alle drei Jahre braucht man ein Folgegutachten. Der Hintergrund: Agri-PV soll ein ernst gemeinter Kompromiss zwischen Landwirtschaft und Energieerzeugung sein, „Pseudo-Agri-PV“ soll von den Vergünstigungen nicht profitieren.
Dieser Ansatz ist auch für Prof. Dieter Orzessek von der Hochschule Anhalt in Bernburg wegweisend: „Wenn wir schon auf Ackerböden erneuerbare Energien produzieren wollen, sollten wir die Solarnutzung mit ernsthaftem Ackerbau verbinden“, so seine Überzeugung.
Um hier zu Handlungsempfehlungen für die Praxis zu kommen, hat die Hochschule Anhalt bereits im Herbst 2023 eine vertikale Agri-PV-Versuchsanlage installiert. In der Arbeitsgruppe AgriPVplus geht es um Konzepte zur besseren Vereinbarkeit von Landwirtschaft, Photovoltaik und Naturschutz. Untersucht wird dabei unter anderem der Einfluss der Module auf den Ertrag. Auf dem 2 m breiten Streifen unter den Modulen geht es darum, wie sich Biodiversität und Nützlinge durch Wildpflanzen fördern lassen.
Vertikale Anlage
Die vier Agri-PV-Modulreihen sind von Norden nach Süden mit 80 cm Bodenfreiheit aufgebaut. „Diese Höhe ist für viele Kulturpflanzen eher knapp, schon die Hirse ist fast 1,10 m hoch gewachsen“, erklärt Sebastian Dittmann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Anlage auch aus elektrotechnischer Sicht betreut. Vorteilhaft beurteilt er das Stromertragsprofil der vertikalen Anlagen: „Sie produzieren vor allem morgens und abends Strom. Mittags, wenn die Strompreise durch die klassischen Freiflächenanlagen auch mal negativ sind, ist der Ertrag bei der vertikalen Anlage ohnehin geringer.“ Bei einer installierten Leistung von 66 kWp auf 0,26 ha hat die Anlage etwa 980 kWh/kWp/a produziert, genaue Messdaten gibt es im nächsten Jahr.
Mindestens 12 m Abstand
Es erfolgt eine ortsübliche konventionelle Bewirtschaftung, der Arbeitsstreifen zwischen den Modulen ist 12 m breit. „Das ist für Ackerbau unter Agri-PV das Mindestmaß“, so Prof. Orzessek. Für den Anbau auf dem fruchtbaren Schwarzerdeboden hat er eine klimaanagepasste dreijährige Fruchtfolge aus Winterdurum, Körnerhirse und Sojabohnen ausgewählt. „Vor allem im April ist es hier in den vergangenen Jahren wärmer und trockener geworden“, sagt Prof. Orzessek und fügt hinzu: „Durum als Winterkultur kann damit umgehen, Körnerhirse und Sojabohnen benötigen erst später Wasser.“ Auch die Auswinterungsgefahr, die viele Landwirte vom Durumanbau abhalte, sei über die Jahre geringer geworden. Das um ca. 15 % niedrigere Ertragsniveau gegenüber E-interweizen gleiche Durum durch höhere Produktpreise aus.
Schatten sorgt für Ertragseinbußen
Die Anlage wirft vormittags und nachmittags Schatten auf die Kulturen. Die Messungen des ersten Erntejahres ergaben bei Winterdurum einen Ertragsverlust von durchschnittlich 6,2 dt/ha (6,4 %). Wie sich der Ertragsverlust genau aufteilt, zeigt unsere Tabelle.
Zusätzlich zu diesen Verlusten fehlt der Ertrag von 15 % der Flächen für die Stand-/Biodiversitätsstreifen, letztes Jahr waren das 14,5 dt/ha. Für das Jahr 2024 ergibt sich bei Durum insgesamt eine Ertragsminderung von 20,7 dt/ha, das Betriebsergebnis sank um 511 €/ha. „Allerdings war das Ertragsniveau im Jahr 2024 überdurchschnittlich“, so Prof. Orzessek.
Über alle drei Kulturen gab es im beobachteten ersten Jahr mittlere Ertragsminderungen von 13 %. „Die Beschattung sorgt für Ertragsminderungen. Eine Beeinträchtigung der Qualitäten konnten wir in diesen ersten Versuchen aber nicht feststellen“, so Prof. Orzessek. Bei der Auswahl von Ackerbaukulturen für den Anbau auf Agri-PV-Anlagen rät er zu Getreidearten (außer Roggen wegen der Wuchshöhe) oder Körnerleguminosen. Zweckmäßig seien außerdem Kulturen mit einer begrenzten Zahl von Arbeitsgängen, da hier das Risiko von Beschädigungen oder Verschmutzung der Module gering bleibt. Durch die 2 m breiten Biodiversitätsstreifen sei die Bewirtschaftung technisch kein Problem.
Die Biodiversitätsstreifen, die 15 % der Fläche ausmachen, wirken positiv auf Flora und Fauna. „Wir testen hier spezielle Saatmischungen, die ökologisch wertvoll sind, aber möglichst nicht so hoch wachsen, um den Pflegeaufwand im Rahmen zu halten“, so Sebastian Dittmann. Warum die gezielte Einsaat erwünschter Wildpflanzen nicht nur aus naturschutzfachlicher Sicht Sinn ergibt, erklärt Sandra Dullau von der Arbeitsgruppe Vegetationskunde und Landschaftsökologie: „Wir besetzen damit die entlang der Modulreihen entstehenden Nischen und können dadurch die spontane Ansiedlung problematischer Arten verhindern.“ Die Hochschule Anhalt plant, ein dauerhaftes Agri-PV-Forschungszentrum unter anderem mit zwei zusätzlichen Trackinganlagen zu etablieren.