Die Frage, ob Freileitungen oder Erdkabel die bessere Lösung für den Energietransport sind, bewegt Deutschland schon lange. „Auch die Gleichstromleitung Südlink, die derzeit als Erdkabel gebaut wird, war zunächst als Freileitung geplant,“ so Gutachter Dr. Volker Wolfram auf im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen in Baunatal. Hier haben wir einige Antworten auf häufig genannte Fragen.
Was steht im Koalitionsvertrag?
Hier konnte sich die Union bei Kosteneinsparungen beim Netzausbau durchsetzen: Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze sollen „wo möglich als Freileitungen umgesetzt werden“.
Für die SPD wären die teureren, dafür sozial verträglicheren Erdkabel die erste Wahl gewesen.
Seit wann gibt es den derzeitigen Vorrang für Erdkabel?
Der Vorrang für das Erdkabel wurde im Dezember 2015 durch das "Gesetz zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus" festgeschrieben. Das Gesetz regelt im Kern drei wichtige Punkte, so das Bundeswirtschaftsministerium:
Für große Stromautobahnen (= neue Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen - HGÜ-Leitungen) wurde der Vorrang der Erdverkabelung in der Bundesfachplanung eingeführt.
Bei Drehstromleitungen (Wechselstrom) wurden die Anzahl der Pilotstrecken für Erdkabel und die Kriterien für eine Erdverkabelung erweitert.
Schließlich wurden die Listen der wichtigen Netzausbauvorhaben anhand des von der Bundesnetzagentur bestätigten Netzentwicklungsplan 2024 gesetzlich im Energieleitungsausbaugesetz und im Bundesbedarfsplangesetz verankert.
Weshalb Landwirte Freileitungen bevorzugen
Weil die Erdkabel so stark in den Boden eingreifen, würden viele Landwirte die Freileitung bevorzugen. Was dafür spricht:
Die Freileitungstechnik ist seit über 100 Jahren bekannt. Wie reparaturanfällig die neuen Erdkabel sind, weiß heute keiner. Besonders sensibel sind die Muffenstationen, wo die Höchstspannungskabel im Abstand von 1.000 bis 1.300 m verbunden werden.
Eine Freileitung kann die beim Stromtransport entstehende Wärme leicht abgeben. Bei Erdkabeln erwärmt sich der umgebende Boden.
Unbekannt und vermutlich auch stark standortabhängig ist, wie sich die Tragfähigkeit der Böden entwickelt: Kann es z.B. sein, dass Kartoffel- oder Rübenroder in den ersten Jahren auf dem Kabelgraben einsinken? Viele befürchten auch, dass sich die Wasserführung verändert.
Zu vielen Fragen gibt es noch Forschungsbedarf, z.B.: Wie wirkt sich die Wärme auf die Pflanzen aus? Welche Auswirkung hat das Bettungsmaterial der Kabel auf die Wasserführung?
Ein Erdkabel ist je nach Gelände deutlich teurer als eine Freileitung. Bei der Leitung Wahle-Mecklar geht der Netzbetreiber TennetTSO z. B. von etwa zehnmal so hohen Kosten aus.
Was ist bei Erdkabeln auch für Landwirte positiv?
Erdkabel bieten aber auch für Landwirte Vorteile, denn Freileitungen ziehen ein weiträumiges Bauverbot nach sich, für Wohnbebauung sind das 400 m auf beiden Seiten der Leitung, bei Streusiedlungen je 200 m. Dieses Bauverbot kann sich auch auf Ställe beziehen. Darüber hinaus profitieren natürlich auch Landwirte von der Schonung des Landschaftsbildes.
Wie wirken sich Erdkabel aus?
Sind Erdkabel im Boden, dürfen Landwirte auf dem Schutzstreifen u. a. keine Bäume pflanzen oder Gebäude bauen. Wenn Sie tiefwurzelnde Nutzpflanzen wie Spargel oder Wein anbauen, sprechen Sie dies beim Netzbetreiber an. Auch die Zulässigkeit der Anlage landwirtschaftlicher Mieten mit Zuckerrüben über dem Erdkabel oder die Anlage von Weidehütten sowie Vliesabdeckungen sollten Sie abklären.
Wie sich Erwärmung und die Zerstörung der Bodenstruktur auf den Ertrag auswirken, hat u. a. die Uni Göttingen mit dem Ingenieurbüro Geries und TennetTSO in einem Versuchs-Erdkabelgraben mit künstlich erwärmten Leitungen im Boden untersucht. Es ergaben sich in Ertragseinbußen von 5 bis 15 % in Winterweizen und Wintergerste. Bei den Ertragseinbußen stellten Dr. Hartmut Geries und sein Team keine Unterschiede zwischen Warm- und Kaltversuch fest. Die Erwärmung der Leitungen führte aber zu einer ca. 2 Grad höheren Temperatur im Oberboden in 30 cm Tiefe, die im Jahr 2023 auf der Testfläche zu einer ein bis zwei Wochen verfrühten Abreife des Bestandes führte. Dieser Effekt blieb 2024 aus. Weitere Ertragserhebungen und ergänzende Untersuchungen werden seit 2022 auf einem Erdkabelabschnitt der Trasse Wahle-Mecklar erhoben.
Viele Landwirte weisen darauf hin, dass das Testfeld unter optimalen Bodenbedingungen gebaut wurde und der Untersuchungszeitraum mit zwei Jahren relativ kurz ist. Schwierig sei auch, die Ursachen der Ertragsveränderungen auseinander zu halten. Schließlich haben die Vorbegrünung und auch der Luzerneanbau als Zwischenbewirtschaftung starke Effekte auf den Ertrag.
Was sagt der Bauernverband zum Erdkabel?
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, forderte bislang die Aufhebung des gesetzlichen Erdkabelvorrangs: „Der Erdkabelvorrang beim Stromnetzausbau muss dringend auf den Prüfstand. Aus landwirtschaftlicher Sicht sind die Eingriffe in den Boden durch Freileitungen deutlich geringer als bei Erdkabeln. Das Gesetz zur Aktualisierung des Bundesbedarfsplangesetzes wäre jetzt die richtige Baustelle um den langjährigen Forderungen der Grundstückseigentümer endlich Gehör zu schenken.“ In dem Zusammenhang begrüßt der DBV das eindeutige Petitum der Übertragungsnetzbetreiber, die sich ebenso eindeutig gegen die Erdverkabelung aussprechen.
Wie würde es sich auswirken, wenn nun die Freileitung wieder bevorzugt wird?
Im Koalitionsvertrag ist nur von Gleichstromleitungen die Rede, die wo möglich als Freileitung umgesetzt werden sollen. Jetzt in laufenden Verfahren umzuschwenken, würde zu weiteren Verzögerungen führen. Amprion-Chef Christoph Müller in Dortmund sagte gegenüber der Deutschen Presse Agentur (dpa): „Streicht man nur den Vorrang, verlagert man die Frage ob Freileitung oder Erdkabel in die Genehmigungsverfahren. Diese würden dann zwangsläufig wieder länger werden. Wenn man es konsequent macht, muss man dann eigentlich sagen, wir machen wieder einen Vorrang für Freileitung.“ Dies sei dann aber „eine große politische Entscheidung“.