topplus Exklusiv-Interview

Baywa-Chef Hiller: "Wir wollen unser Ergebnis um 350 Mio. € steigern"

Was hat zum Absturz der Baywa geführt? Wie will sie wieder aus der Krise kommen und welche Ziele hat sie sich gesteckt? Der neue Vorstandvorsitzende Dr. Frank Hiller im top agrar-Interview.

Lesezeit: 9 Minuten

Die Baywa AG, Deutschlands größter Agrarhandelskonzern, stand im Sommer 2024 kurz vor der Pleite. Steigende Zinsen und ein mangelhaftes Liquiditätsmanagement hatten für das hochverschuldete Unternehmen mit einer 100jährigen Geschichte fast das Aus bedeutet. Der Konzern hatte in den letzten 15 Jahren weltweit ausschließlich auf Pump in Handelsunternehmen investiert, ohne dass sich die Gewinne des Konzerns verbesserten.
Durch kräftige Finanzspritzen der Genossenschaftsbanken, die Hauptanteilseigner der Baywa sind, konnte das Unternehmen vorerst gerettet und ein Sanierungsplan erstellt werden. Laut Plan soll die Sanierung bis Ende 2028 abgeschlossen sein.
Umsetzen soll diese Sanierung vor allem der neue Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Hiller, der seit März 2025 im Amt ist. Hiller ist Maschinenbauingenieur und war zuvor Vorstandsvorsitzender von Big Dutchman und CEO der börsennotierten Deutz AG.

Herr Dr. Hiller, Sie haben im März dieses Jahres das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Baywa AG angetreten, eines Konzerns, der letztes Jahr kurz vor der Pleite stand und jetzt eine extreme schwere Sanierung zu bewältigen hat. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen? 

Dr. Frank Hiller: Mir ist klar, dass die Sanierung der Baywa eine Herausforderung ist. Am Sanierungsplan hat mich überzeugt, dass sich das Unternehmen wieder aufs Kerngeschäft konzentriert , und das ist kerngesund. Mir gefällt die Branche, die Zukunft und einen klaren Auftrag hat. Schließlich reizt mich auch das Thema Transformation. Denn wir wollen beim Kerngeschäft der Baywa zu einer höheren Profitabilität kommen. 

Der Sanierungsplan sieht vor, dass durch den Verkauf der Auslandbeteiligungen Cefetra und Turner & Growers sowie der Baywa r.e. ein erheblicher Teil des Fremdkapitals abgetragen wird. Welches Entschuldungsziel haben Sie sich dabei gesetzt? 

Hiller: Die Verschuldung der Baywa ist sehr hoch. Sie liegt heute zwischen 15- und 20-mal höher als der EBITDA, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Nach der Sanierung wollen wir das Verhältnis auf den Faktor 3 drücken, damit wir eine entsprechende Refinanzierung leisten können. Das bedeutet, dass wir über die Verkäufe des Nicht-Kerngeschäftes eine Entschuldung in einer Größenordnung von etwa 4 Mrd. € erreichen müssen.

Wir wollen durch Verkäufe eine Entschuldung von 4 Mrd. € erreichen.

Die Anteile von 47,53 % an der Raiffeisen Ware Austria (RWA) hat die Baywa AG bereits verkauft. Bringt der Verkaufserlös von 176 Mio. € angesichts der Bankverbindlichkeiten von rund 6 Mrd. € überhaupt eine spürbare Entlastung? 

Hiller: Die 176 Mio. € waren nur der Verkaufserlös für die Anteile an der RWA. Mit dem Verkauf der RWA sinken aber insbesondere auch die Bankverbindlichkeiten im BayWa Konzern um den auf die RWA entfallenden Anteil. Dieser beläuft sich auf rund 500 Mio. €. Die 176 Mio. € haben zu einer Liquiditätserhöhung in der BayWa geführt. Entsprechend dem Sanierungsplan müssen wir das Geld nicht gleich an die Banken zurückzuzahlen, sondern es bleibt uns als Liquiditätspolster für die Zukunft. Das hilft uns jetzt bei unserem saisonalen Geschäft. 

Wie laufen die Verhandlungen über den Verkauf des niederländischen Getreidehändlers Cefetra und des neuseeländischen Apfelhändlers Turner & Growers?  

Hiller: Laut Plan haben wir jetzt dreieinhalb Jahre Sanierungsphase. Der Zeitraum ist auch deswegen so lang, damit wir die Beteiligungen und Tochterunternehmen, die für sich sehr werthaltig sind, ohne Druck verkaufen können. Es gibt einen Zeitplan für die Verkäufe, der aber je nach Marktlage variieren kann.  Dementsprechend steht zunächst der Verkauf von Cefetra an und danach der von Turner & Growers.  Ich kann keine Details nennen, aber wir sind bei beiden Investments gut im Zeitplan und es laufen schon intensive Gespräche. 

"Zum Verkauf von Cefetra und Turner & Growers laufen bereits intensive Gespräche"

Mit dem Verkauf der 51 %-Beteiligung an der Baywa r.e. wollen Sie sich Zeit bis 2028 lassen. Ist das nicht riskant, weil diese Tochter immer wieder mit Verlusten und Finanzlöchern für böse Überraschungen gesorgt hat? 

Hiller: Bei der Baywa r.e. sind noch einige Hausaufgaben zu erledigen, die Zeit brauchen. Deswegen haben wir dort einen sehr erfahrenen Restrukturierer eingesetzt, der sich ausschließlich um die Baywa r.e. kümmert. Wir wollen dort das Projektportfolio optimieren und das braucht diese zwei, drei Jahre. Das Geschäft mit den erneuerbaren Energien ist zukunftsträchtig. Deswegen gehen wir davon aus, dass wir einen sehr guten Verkaufspreis erzielen können. 

Zweiter Schwerpunkt des Sanierungsplans ist die Effizienzsteigerung der Kerngeschäfte Agrar, Technik, Bau und Energie. Wo wollen Sie hier konkret ansetzen, um das Ergebnis zu verbessern? 

Hiller: Im Agrarbereich und besonders im Baustoffbereich haben wir die Durchdringung und Marktpräsenz, die wir in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen haben, bisher nicht wirklich genutzt. Wir möchten verstärkt im Bereich Logistik tätig werden, um nicht nur standortbezogen zu agieren, sondern zentrale Optimierungen zu schaffen. Zudem gibt es im Agrar- und auch im Baustoffbereich die Themen Sortimentsoptimierung und Eigenmarken, die wir weiter voranbringen wollen.

Wir haben im Zuge der Sanierungsgutachtens Wettbewerbsvergleiche gemacht. Obwohl wir in der Technik bereits gut dastehen, sehen wir dort noch Potenziale, besonders im Hinblick auf Liquiditätsmanagement. Dabei sind Zahlungsziele und Lagerbestände für uns zentral. In den letzten Monaten haben wir hier bereits bedeutende Fortschritte gemacht und sehen weiteres Potenzial. 

Sehr gut läuft momentan der Bereich Wärme und Mobilität, oft auch durch konventionelle Anwendungen wie Diesel und Heizöl. Hier sehen wir eine langfristige Zukunft, besonders im Agrar- und Baustellenumfeld, zumal sich der Markt hier noch weiter konsolidieren wird.  

Von großer Bedeutung ist, dass wir uns intensiv um unsere Kunden kümmern. Wir wollen uns künftig bodenständiger aufstellen und das Geschäft lokal ausrichten, anstatt wie in der Vergangenheit auf globaler Ebene zu agieren. Die BayWa ist stark auf dem Land. Das spielen wir wieder voll aus.

 

Mit dem Verkauf der Beteiligungen wird sich der Umsatz der Baywa von jetzt über 20 Mrd. € auf unter 10 Mrd. € mehr als halbieren. Welches operative Ergebnis (EBITDA) streben Sie mit der aufs Kerngeschäft geschrumpften Baywa AG bis Ende 2028 an? 

Hiller: Wir wollen ein Gesamteffekt von rund 350 Mio. € erreichen. Ich denke, wir haben gute Chancen, dies in den kommenden dreieinhalb Jahren zu realisieren.  

Beeindruckend ist die Kundenbindung, die wir bei den Landwirten aufgebaut haben. Selbst ich, der in diesem Geschäftsumfeld viel unterwegs war, bin positiv überrascht worden, wie stark diese Kundenbindung ist. Wenn Sie unsere Standorte besuchen, werden Sie feststellen, dass zum Beispiel bei der Mittagspause abgeschlossen wird. Das mag zunächst irritierend erscheinen, doch unsere Kunden kennen die Handynummern unserer Mitarbeiter. Öffnungszeiten spielen daher kaum eine Rolle, egal ob am Wochenende oder sonntags. Diese Vernetzung wird von unseren Kunden geschätzt, und in der Krise wurden wir nicht im Stich gelassen. 

Wir wollen unser Ergebnis um 350 Mio. € verbessern.

 

Das ist sicherlich auch eine Stärke des genossenschaftlichen Verbunds, in dem Kunden gleichzeitig auch Partner und Eigentümer sind. Aber zurück zu den Zahlen. Welche Umsatzrendite streben Sie an? 

Hiller: In unserem Geschäft können Sie nicht von Umsatzrenditen im zweistelligen Bereich ausgehen. Umsatzrenditen im mittleren einstelligen Bereich sind aber schon unser Ziel. 

 

Schaut man auf die Zahlen von Marktbegleitern wie Agravis, stellt man fest, dass diese bereits mit einer Eins vor dem Komma gut zufrieden wären angesichts der homöopathischen Gewinnmargen.  

Hiller: Da müssen Sie nach den einzelnen Bereichen differenzieren. In der Techniksparte können Sie zum Beispiel relativ gute Margen erzielen. Und ich weiß auch nicht, ob man sich immer nur im genossenschaftlichen Umfeld vergleichen muss. Es gibt viele Wettbewerber im privaten Umfeld, die sehr profitabel unterwegs sind. Da kann man sich das eine oder andere abgucken. 

Bisher haben Sie die Schließung von 26 Standorte angekündigt, von denen einige bereits geschlossen sind. Planen Sie darüber hinaus weitere Schließungen? 

Hiller: Wir werden auch zukünftig unser Netzwerk optimieren. Entsprechende Konsolidierungen finden auch auf unserer Kundenseite statt. 

 

Laut dem Sanierungsplan soll die Baywa AG 1.300 Vollzeitstellen abbauen. Was ist davon schon umgesetzt und in welchen Sparten werden Sie weitere Stellen streichen? 

Hiller: Wir sind da über die Hälfte hinweg. Es macht nie Spaß, Personal abzubauen. Da wo wir unsere gewohnte Leistungsbereitschaft bereit haben wollen, das ist in der Fläche auf dem Land. Aber in der Zentrale sehen wir schon noch einen oder anderen Potenziale, “leaner” zu werden und bestimmte Arbeiten nicht mehr selbst zu machen, sondern auszulagern. Ein Bereich ist die IT, wo wir großes Potenzial haben. 

 

Gestatten Sie uns noch einen Blick zurück und auf die Lehren, die Sie daraus ziehen. Wie war es möglich, dass die Baywa derart in Schieflage geraten konnte? 

Hiller:  Der Hauptgrund ist die große Verschuldung, die die BayWa nun seit Jahren belastet, in Verbindung mit dem Zinsanstieg und dem fehlenden Fokus auf das Thema Liquidität. Dadurch, dass Liquidität kein wichtiges Steuerungselement im Unternehmen war, hat man zunächst keine Standortbestimmung gehabt, als das Problem auftrat. Und das ist dann eine Mischung aus hoher Verschuldung, ansteigenden Zinsen und letztendlich auch fehlender Governance, also der Art und Weise, wie das Unternehmen gelenkt wurde. 

Gründe für die Schieflage waren eine hohe Verschuldung, steigende Zinsen und fehlende Governance.

 

Warum haben die Kontrollinstanzen, besonders die im genossenschaftlichen Verbund, nicht gegriffen?  

Hiller: Da wundert man sich. Und das in mehrfacher Hinsicht. Es sind ja nicht nur das Management und die Aufsichtsorgane. Wir haben auch zahlreiche Geldgeber gehabt, die immer Geld zur Verfügung gestellt haben. Es ist schwierig nachzuvollziehen, warum da keiner so richtig auf die Baywa geschaut hat. Es ist sicherlich eine Mischung aus einem Unternehmen, das als feste Institution galt, bei dem man nie davon ausgegangen ist, dass irgendwann mal eine Krise kommen kann und einem sehr selbstbewussten Management.  

Wer trägt am Ende die Verantwortung? 

Hiller: Das ist ein Thema, das auch uns beschäftigt. Wir sind mitten in der Sanierung und versuchen, das Unternehmen neu aufzustellen. Dafür brauchen wir viel Kraft und Ressourcen. Trotzdem müssen wir uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Es laufen entsprechende Untersuchungen. Und wir werden zu gegebener Zeit darüber berichten. 

Es laufen Untrsuchungen, wer am Ende die Verantwortung trägt.

Entwicklungen wie diese wiegen in jedem Unternehmen schwer. Zur Dramatik im Fall der Baywa trägt zusätzlich bei, dass es sich um eine Genossenschaft handelt und viele Landwirtinnen und Landwirte im guten Glauben auf die Arbeit ihrer Vertreter in Beiräten, Vorstand und Aufsichtsrat vertraut haben. Welche Lehren ziehen sie für die Baywa und die Arbeit im genossenschaftlichen Verbund? 

Hiller: Beim genossenschaftlichen Gedanken geht es viel um Gemeinwohl und Vertrauen. Zwischenzeitlich ist das Unternehmen Baywa so komplex geworden, dass es hohe Anforderungen an die Kontrollinstrumentarien brauchte.  

Das ist sicherlich auch eine Lehre: Dass wir unsere Governance-Strukturen überarbeiten und vieles ganz anders kritisch hinterfragen als in der Vergangenheit. Sie können sich vorstellen, die Anzahl der Aufsichtsratssitzungen hat deutlich zugenommen. Kritische Fragen, die man sich in der Vergangenheit nicht getraut hat zu stellen, das gibt es heute nicht mehr. Heute wird alles hinterfragt. das ist auch richtig so. Denn es schützt letztendlich davor, dass man noch einmal in eine so massive Krise kommt wie die Baywa im letzten Jahr. 

 

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