Um eine neue Sorte zu züchten, ist viel Züchtungsarbeit nötig. So vergehen beim Getreide von der Kreuzung, über die Selektion bis hin zur Zulassung der neuen Sorte rund zehn Jahre. Bei ganz neuen Sortentypen dauert es oft noch länger. Wir haben mit einem Züchter gesprochen, welche Eigenschaften beim Roggen besonders hoch im Kurs stehen.
Mutterkorn-Abwehr wird wichtiger
Seit der Zulassung der ersten Hybrid-Sorten in den 1980er-Jahren hat der Roggen große Fortschritte im Bereich Ertrag erzielt. Momentan steigen die Kornerträge jährlich um ca. 1,7 % an – eine beachtliche Leistung im Vergleich zu anderen Getreidearten. Neben den Erträgen konzentrieren sich die Züchter aber auch auf agronomische Merkmale, wie Standfestigkeit und Blattgesundheit, vor allem Braunrost-Toleranz.
Ein besonderes Züchtungsziel ist die Verbesserung der Mutterkornabwehr. Mutterkorn infiziert den Fremdbefruchter Roggen, wenn seine Sporen in die offene Blüte eindringen. Eine physiologische Mutterkorn-Resistenz zu züchten ist bisher nicht gelungen, es gibt aber Wege, züchterisch über Vermeidungsmechanismen zu minimieren. An einer solchen Mutterkorn-Abwehr arbeitet z. B. der Züchter KWS.
„Die Mutterkornanfälligkeit lässt sich durch eine höhere Pollenausschüttung reduzieren“, erklärt Dr. Andres Gordillo, Zuchtleiter Roggen bei der KWS. Denn wenn der Roggen früh und in ausreichender Menge Pollen ausschüttet, erfolgt eine rechtzeitige Bestäubung und somit eine Schließung der Roggenblüten, sodass Mutterkornsporen nicht mehr eindringen können. Andere Zuchtunternehmen mischen dem Saatgut ca. 10 % Populationsroggen hinzu, um eine raschere Bestäubung sicherzustellen.
Das Bundessortenamt (BSA) vergibt Roggensorten mit einer überlegenen Mutterkornabwehr eine Ausprägungsstufe 3 und 4, während Sorten mit einer geringeren Mutterkorntoleranz eine Bonitur von 5 oder schlechter erhalten.
Künftig könnte das Interesse an diesen weniger anfälligen Sorten weiter wachsen, da die EU-Kommission die Grenzwerte für den Sklerotienbesatz im Brotroggen von 0,05 auf 0,02 % ab dem 1. Juli 2025 senken will.
Sommerroggen im Herbst säen
Um den Roggen fit für den Klimawandel zu machen, entwickelt die KWS neue Roggentypen wie z. B. den auf Wechselroggen, also einen Sommerroggen, der keine Vernalisation mehr benötigt und trotzdem winterhart ist. Dadurch geht die Sorte nicht in Winterruhe und wächst zwischen dem Herbst und Frühjahr bei Temperaturen über 8 °C weiter. „Je mehr Biomasse der Roggen über den Winter bildet, desto mehr Wasser kann er speichern. Das macht ihn in einem trockenen Frühjahr dürretoleranter“, sagt Gordillo.
Weniger Wachstumsregler mit Kurzstroh-Hybriden
Ein weiterer Züchtungsschwerpunkt an der Zuchtstation im niedersächsischen Bergen sind die Kurzstrohhybriden, auch Zwerghybriden genannt. Diese Sorten sind von Natur aus rund 30 cm kürzer als herkömmliche Roggenpflanzen und helfen so, auf Wachstumsregler zu verzichten. Das spart nicht nur Arbeit und Kosten für den Landwirt, beim Brotroggen kommt noch hinzu, dass einige Mühlen Ware bevorzugen, die nicht mit Wachstumsreglern behandelt wurde.
Zudem schätzt Gordillo anhand von eigenen Feldergebnissen, dass Wachstumsreglergaben im Roggenanbau zu einer Ertragsreduktion von rund 4 bis 7 % führen. Auch sollen die Zwerghybriden laut dem KWS-Züchter insgesamt eine bessere Mutterkornabwehr haben. „Es wird vermutet, dass neben einem kürzerem Blühzeitfenster, bei Kurzstrohtypen weniger Gibberelline gebildet werden und so die Entwicklung des Pilzes gehemmt wird“, erklärt er.
Für die Zukunft des Roggens zeichnen sich nach Gordillos Einschätzung mehrere Trends ab. Einerseits könnte das Thema Gesundheit, insbesondere Braunrost-Toleranz, durch die extremen Wetterlagen für die Züchter noch mehr an Bedeutung gewinnen. Gordillo vermutet, dass Backeigenschaften wie Fallzahlen, Amylogramme und Pentosangehalte daher künftig an Bedeutung gewinnen könnten. Auch Biomassesorten, einschließlich Grünschnittroggen bieten den Züchtern in Zukunft ein weiteres Betätigungsfeld.